Indikatoren sind keine Ziele

„Wie steht es eigentlich um unseren Veränderungsprozess? Sind wir schon agil?“ – viele Firmen stellen sich unweigerlich irgendwann diese Frage, wenn sie sich in einer Agilen Transformation befinden. Nicht zu unrecht, möchte man doch auch wissen, ob sich Energie und Aufwand lohnen.
Um diese Frage zu beantworten werden gerne unterschiedliche Indikatoren herangezogen: Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit, Anzahl der Teams mit besetzten „agilen“ Rollen, umgesetze Story-Points oder was auch immer.
Auch das ist meiner Meinung nach nicht per se falsch – allerdings wird oft vergessen, was ein Indikator ist.

Ein Indikator ist etwas, was leicht messbar ist und mit der zu betrachtenden Zielerreichung korreliert.

Korreliert“ ist hierbei ein sehr relevantes, aber oft ignoriertes, Wort. Es wird nämlich nicht zwangsweise ein „kausaler“ Zusammenhang vorausgesetzt.
Nehmen wir ein technisches Beispiel: In vielen Haushalten (und Firmen) hängen Geräte an der Decke, die bei einem Brand warnen sollen. Nur messen diese Dinger oft gar kein Feuer. Viele messen… Rauch. Rauch korreliert nun ziemlich stark mit Feuer, deswegen passt das ganz gut. Aber wer ein solches Gerät in der Küche hat, der hat sicher auch die Erfahrung gemacht, dass die Dinger nicht nur bei einem Brand losgehen.
Wirklich störend wird diese fehlende (zumindest eindeutige) Kausalität allerdings erst dann, wenn man beginnt, die Indikatoren nicht nur zu messen, sondern auch zu einem Ziel zu erklären. Im schlimmsten Fall noch zu einem Ziel, an dessen Erfüllung ein Bonus oder sonst irgendeine Gratifikation hängt. Dann beginnen nämlich die Beteiligten, den Indikator direkt zu beeinflussen, ohne sich um das ursprüngliche Ziel zu kümmern. Das ist nämlich meist viel einfacher! Sage ich beispielsweise einem Team, dass eine hohe Velocity toll ist und ich deswegen nun anfange, „Story Points pro Sprint“ zum Ziel zu erklären, werde ich sicherlich eine Inflation an Story Points beobachten können. Messe ich „ausgebildete Agile Rollen“, so gehen dutzende Mitarbeiter in beliebig nützliche Scrum-Schulungen, ohne das ernsthaft betreiben zu wolen. Zähle ich, wie viele Teams „agil“ arbeiten, so werden einfach ein paar bestehende Teams in Scrum-Team umbenannt und sie arbeiten weiter wie bisher.

Heißt das nun, dass man Indikatoren gar nicht messen soll? Doch, das sollte man, aber in einer Zieldefinition haben diese nichts zu suchen! Denn auch wenn Ziele messbar sein sollten, ist nicht alles messbare ein geeignetes Ziel. Aber Indikatoren regelmäßig zu betrachten ist sehr sinnvoll – und diese kritisch zu hinterfragen. Denn wenn man die Indikatoren nicht in (langfristigen) Zielen festgeschrieben hat, so kann man diese auch relativ leicht durch bessere Indikatoren austauschen oder ergänzen. So unteriegt auch die Betrachtung von Indikatoren einem ständigen Verbesserungsprozess.