Was redet der da? Wenn Juristen mit Coaches und Informatikern zusammentreffen

Vor einer ganzen Weile bereits durfte ich (ja, sowas mache ich gerne) eine Abschlussarbeit eines Kollegen und Freundes zur Korrektur lesen. Es handelte sich um eine Arbeit im Fach Wirtschaftsinformatik. Allerdings hatte der Autor vorher einige Semester Jura studiert, was dazu führte, dass ich über einige Formulierungen in der Arbeit sehr stolperte. So wurde im Text ab und an darauf hingewiesen, dass manches „grundsätzlich anders“ gemacht werden solle, als der gewählte Umsetzungsweg, außerdem wurde an der ein oder anderen Stelle eine „billige“ Umsetzung gewählt.

Nach Rücksprache mit meinem Kollegen wurde mir klar, dass er die Begriffe einfach anders verstand, als ich es tat. „Billig“ war für ihn nicht auf die Kosten der Umsetzung bezogen, schon gar nicht war das abwertend „billig“, sondern „angemessen“. Und wenn ein Weg, der „grundsätzlich“ gegangen werden sollte, nicht gegangen wurde, so wich man nur (mit guten Gründen) vom Grundsatz ab. Wir hatten von den verwendeten Begriffen auf Grund unserer unterschiedlichen Ausbildungen ein anderen Verständnis.

Sprachbarrieren existieren nicht nur hin zu Fremdsprachen, sondern auch innerhalb einer Sprache, dort sind sie aber für die Beteiligten oft schwerer zu erkennen.

Wenn sich ein Unternehmen transformiert, so brechen bisherige „Sprachgruppen“ unter Umständen auch auf. Sei es innerhalb eines Teams, weil es sich cross-funktional aufstellt, oder sei es, weil klassische Kommunikationswege durch direktere Kommunikation ersetzt werden. Auf einmal muss der Informatiker mit dem Juristen reden. Erwähnt dann der Informatiker eine Regel als „grundsätzlich“, so ist es etwas, wovon er wohl nicht abweichen will. Alleine die Aufführung des „grundsätzlichen“ erweckt im Juristen die Erwartung, dass im Folgenden auf die Ausnahme eingegangen wird und für einen Coach mögen die „Grundsätze“ die Basis sein, auf der weiter detailliert werden sollte.

Und mein Lieblingsbeispiel der „ausbildungsinduzierten Sprachbarriere“: Wenn ein Psychologe von „5 plus minus 2“ als idealer Teamgröße spricht, so ist nicht der vom Mathematiker verstandene feste Zahlenraum gemeint, sondern „Mittelwert 5, Standardabweichung 2“.

Mein Appell: Werdet euch der verdeckten Sprachbarrieren bewusst, drückt aber niemandem „eure“ Definition auf. Fragt, was das Gegenüber meint und nehmt am besten diese Definition — grundsätzlich. 😉

 

Nachtrag:

Zum Juristendeutsch habe ich noch einen empfehlenswerten Artikel bei leemata gefunden:
https://www.leemeta-uebersetzungen.de/blog/interessantes/deutsch-der-rechtswissenschaft

 

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